11.12.2025

Nachts im Gebärsaal

Eine Nachtschicht auf der Geburtenabteilung im Spital Männedorf von 22:45 bis 07:10 Uhr – und für die Leitende Hebamme Jasmin Müller gehören sie zu den schönsten Diensten.


Jasmin im Gebs

«Nachtschichten sind meine Lieblingsschichten. Die Stimmung ist ruhiger, der Alltagsstrudel weit weg. Endlich kann ich ganz in meinem Handwerk aufgehen.»

Während sie tagsüber aufgrund ihrer Leitungsfunktion viele administrative Aufgaben erledigt, kann Jasmin nachts das tun, was sie am meisten liebt: Familien durch die Geburtsreise begleiten.

Da nachts keine geplanten Termine oder Kontrollen stattfinden, bleibt jede Schicht unberechenbar. In der Nacht kommen zwar nicht die meisten Kinder zur Welt – da Hormone, die für die Geburt wichtig sind, nachts jedoch ihren Peak haben, spüren besonders viele Frauen dann die ersten Wehen und melden sich.

«Ich bin dann immer aufgeregt und voller Vorfreude. Die ganze Welt schläft, und es fühlt sich an, als gäbe es nur die Geburt.»

In manchen Nächten begleitet Jasmin mehrere Familien gleichzeitig. Weil im Gebärsaal interdisziplinär eng mit dem ärztlichen Team zusammengearbeitet wird, ist immer jemand zur Stelle – und bei Bedarf ruft sie Kolleginnen aus dem Pikett.

Zu Beginn der Schicht übernimmt Jasmin meist eine Familie direkt während oder kurz nach der Geburt. Danach bereitet sie das Gebärzimmer sorgfältig für die nächste Geburt vor. Ist es im Gebärsaal ruhig, unterstützt sie die Kolleginnen auf der Wochenbettabteilung.

«Es ist schön, die Frauen auch nach der Geburt noch einmal zu besuchen und beim Stillen zu begleiten.»

Besonders berührend findet es Jasmin, wenn sie ein Paar nicht nur einmal, sondern gleich zweimal (oder noch öfter) bei der Geburt ihres Kindes unterstützen darf. Ein solches Erlebnis, das für sie prägend war, hatte sie ebenfalls während einer Nachtschicht:

Eine Frau kam mit kräftigen Wehen an – und erkannte Jasmin sofort wieder. Trotz der Schmerzen schenkte sie ihr ein Lächeln. Gemeinsam erinnerten sie sich zwischen den Wehen an ihr letztes Geburtserlebnis und freuten sich über den Zufall, dass ihre Wehen genau während Jasmins Schicht eingesetzt hatten. Jasmin massierte ihr Kreuz, sprach Mut zu und begleitete das Paar durch diese zweite Geburtsreise.

Knapp drei Stunden später kam ihr zweites Baby zur Welt. Als der Papa wenige Stunden später die ältere Schwester brachte, begrüsste sie schüchtern, dann neugierig ihren kleinen Bruder. Ein Moment voller Verbindung und Wärme – mitten in der Nacht.

Zur Person: Jasmin Müller

Seit 5,5 Jahren arbeitet Jasmin Müller als Hebamme im Spital Männedorf und hat bereits über 400 Geburten begleitet. Der Beruf vereint für sie alles, was sie liebt: Abwechslung, Unvorhersehbarkeit und die enge Begleitung von Familien.

«Der Moment, in dem ein Paar zu Eltern wird, verliert nie seinen Zauber. Dass ich das immer wieder erleben darf, ist ein grosses Privileg.»