Auf dem Foto sieht man dich mit einer Brustkrebs-Schleife draussen im Wind. Was symbolisiert dieser Moment für dich persönlich?
Als ich heute aus dem Fenster des Spitals schaute und sah, wie der Wind plötzlich heftig um das Gebäude fegte, dachte ich spontan: Warum machen wir das Foto nicht draussen im Sturm?
Dieser Sturm ist für mich sinnbildlich für die Diagnose Brustkrebs. Sie trifft die Betroffenen oft plötzlich, unerwartet und mit grosser Wucht. Vieles gerät ins Wanken, das Leben verändert sich abrupt – nichts ist mehr so wie es vorher war.
Gleichzeitig steht der Wind aber auch für Bewegung und Kraft: Man kann ihm standhalten, Schritt für Schritt wieder Halt finden und gestärkt daraus hervorgehen. Dabei möchten wir als Breast Care Nurses an der Seite der Frauen sein.
Du bist schon lange im Spital Männedorf tätig. Wie hat sich dein Weg hier entwickelt und wie kam es dazu, dass du das Breast Care Nurse Team ergänzt hast?
Ich arbeite seit zehn Jahren in der Frauenklinik des Spitals Männedorf. Die Frauenheilkunde mit all ihren Facetten begeistert mich bis heute – von der Begleitung rund um die Geburt bis hin zur Betreuung bei gynäkologischen Erkrankungen. Als sich die Möglichkeit ergab, das Breast Care Nurse Team zu verstärken, war für mich schnell klar: Ich möchte Frauen auch in dieser herausfordernden Lebensphase zur Seite stehen. Jede Brustkrebsdiagnose bringt individuelle Fragen, Ängste und Bedürfnisse mit sich. Genau hier kann eine spezialisierte, einfühlsame Begleitung vieles erleichtern.
Was hat dich ursprünglich in die Pflege geführt und was begeistert dich bis heute daran?
Die Pflege ist meine zweite Ausbildung. Die Vielfalt der Aufgaben und der direkte Kontakt zu Patientinnen und Patienten motivieren mich jeden Tag aufs Neue. Kein Arbeitstag ist wie der andere. Das macht meinen Beruf für mich besonders erfüllend.
Du arbeitest sowohl in der Wochenbettpflege als auch als Breast Care Nurse. Wie prägen diese beiden Bereiche deine Sicht auf das Thema Brustgesundheit?
In der Wochenbettpflege begleite ich Frauen in einer sehr sensiblen Phase, in der die Brust meist mit Stillen, Nähe und Ernährung des Kindes verbunden ist. Ich sehe dort, wie wichtig es ist, dass Frauen ihre Brust positiv wahrnehmen, sie kennen und auf Veränderungen achten. Als Breast Care Nurse begegne ich Frauen dann oft in einer ganz anderen Lebenssituation, wenn die Brust mit Angst, Krankheit und Verlust verknüpft ist. Diese beiden Perspektiven machen mir bewusst, wie sehr die Brust ein Teil der weiblichen Identität und des Körperbilds ist, und wie entscheidend Aufklärung, Selbstwahrnehmung und frühe Vorsorge sind.
Was macht dir an der Arbeit mit Patientinnen vor und nach Operationen am meisten Freude?
Da ich direkt am Bett arbeite, betreue ich die Brustpatientinnen oft über den ganzen Tag. Nicht jede ist sofort bereit, sich zu öffnen. Jede geht anders mit der Situation um. Durch die kontinuierliche Betreuung kann jedoch Vertrauen aufgebaut werden, Türen öffnen sich und ein persönlicher Zugang zu den Patientinnen und ihren Geschichten kann entstehen.
Was ist dir wichtig, damit sich Patientinnen nach einer Brustkrebs-Operation gut begleitet fühlen?
Zeit. Und ein offenes Ohr. Ich möchte die Frauen dort abholen, wo sie emotional gerade stehen. Dazu gehört auch praktische Unterstützung, etwa beim Anpassen einer Erstversorgungsepithese (weiche Brustprothese), die direkt nach der Operation getragen wird. Einfühlsamkeit und Feingefühl sind in diesen Momenten zentral.
Gibt es einen Moment, an den du besonders gerne zurückdenkst?
Da ich noch relativ neu im Breast Care Team bin, kann ich noch nicht von so vielen Erlebnissen berichten wie meine Kolleginnen. Vor kurzem durfte ich jedoch das Abschlussgespräch mit einer jungen Patientin führen, die in meiner ersten Arbeitswoche als BCN die Brustkrebsdiagnose erhielt. Dieser Moment war für mich besonders. Zu sehen, welche Prozesse sie durchlaufen hat, zu erleben, mit wie viel Optimismus und Kraft sie diesem Sturm begegnete und wie stark sie aus diesem Gespräch herausging. Für mich ein echter «Wow»-Moment.
Ich staune auch immer wieder darüber, welche Fortschritte die Medizin macht und wie individuell Therapien heute gestaltet werden können – das schenkt Hoffnung.
Was möchtest du Frauen im Brustkrebs-Awareness-Monat auf den Weg geben?
Für mich ist dieser Monat ein Reminder daran, wie wichtig Vorsorge, Früherkennung und offene Gespräche sind. Brustkrebs betrifft Frauen jeden Tag – nicht nur im Oktober. Der Pinkoktober schafft Raum dafür, laut über Brustkrebs zu sprechen und Bewusstsein dafür zu schaffen.