Rebecca, wie bist du zur Onkologie gekommen?
Ich wollte ursprünglich nicht in die Onkologie, vor allem nicht stationär. Als dann aber ambulant ein neues Team aufgebaut wurde, wurde ich gefragt, ob ich eine Mutterschaftsvertretung übernehmen möchte. Ich hatte gerade gekündigt, wohnte in der Nähe und hatte einen kleinen Sohn – das passte.
Und dann merkte ich schnell: Das ist genau das, was ich machen möchte. Die Arbeit ist fachlich unglaublich spannend und ich empfinde sie als sehr sinnstiftend. Zudem geht in der Forschung vieles voran.
Was genau macht eine Breast Care Nurse in deinem Bereich?
Mein Schwerpunkt liegt im onkologischen Bereich; also bei Patientinnen, die eine Chemo- oder Bestrahlungstherapie machen. Ich begleite sie während dieser Zeit, bespreche Nebenwirkungen und stehe telefonisch im Kontakt, oft über viele Monate hinweg.
Ich habe in einer onkologischen Praxis in Rapperswil den BCN-Service mit Pflegesprechstunde mit aufgebaut. Dort kam ich erstmals mit genetischer Beratung (BRCA) in Kontakt – ein Thema, das heute immer wichtiger wird.
«Das BRCA-Gen betrifft oft ganze Familien.»
Du begegnest in deiner Arbeit einigen Frauen mit einer genetischen Veranlagung zu Brustkrebs – einer sogenannten BRCA-Mutation. Was bedeutet das konkret?
Wenn jemand BRCA1- oder BRCA2-positiv ist, bedeutet das ein deutlich erhöhtes Risiko, an Brust- oder Eierstockkrebs zu erkranken. Auch Männer haben ein höheres Risiko für Brust- oder Prostatakrebs.
Das mutierte Gen kann mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent weitervererbt werden.
Wenn eine Frau BRCA1- oder BRCA2-positiv getestet wird, betrifft das nicht nur sie selbst – Eltern, Geschwister und Kinder sind ebenfalls potenziell Träger der Mutation. Das wirft viele persönliche und schwierige Fragen auf: Möchte ich mich überhaupt testen lassen? Wie gehe ich psychisch damit um, dass ich ein erhöhtes Krebsrisiko habe? Wie beeinflusst das meine Familienplanung? Welche Informationen muss ich meiner Versicherung mitteilen?
Die Entscheidungen sind emotional belastend und medizinisch bedeutsam zugleich. Ein Testergebnis bringt viele Vorteile: Wer nicht Trägerin ist, erlebt Erleichterung. Wer Trägerin ist, kann aktiv handeln – sei es durch engmaschige Vorsorge, gezielte Therapien oder vorbeugende Massnahmen. So können Frühdiagnosen Leben retten und Betroffene sowie ihre Familien handlungsfähig machen.
Was ist das Besondere an der Arbeit in der Onkologie?
Ich schätze die Beziehungspflege sehr. Viele Patientinnen begleite ich über lange Zeit, teilweise über Jahre. Als ich nach acht Jahren zurück ans Spital Männedorf kam, gab es Patientinnen, die mich noch kannten und sich freuten, dass ich wieder da bin. Das ist sehr schön.
Und die Menschen, die wir behandeln, sind unglaublich dankbar. Aggressionen oder Konflikte, wie man sie in anderen Bereichen kennt, sind bei uns kaum ein Thema.
Welche Momente bleiben dir besonders in Erinnerung?
Es ist der ehrliche Dank. Wenn Patientinnen nach Monaten wiederkommen – mit Haaren, zurück im Alltag – und sagen, dass sie froh waren, in dieser Zeit eine Ansprechperson zu haben. Das sind die Momente, die bleiben.
«Manche Geschichten gehen einem näher als andere.»
Wie gehst du mit der emotionalen Belastung der Patientinnen um?
Zuhören ist das Wichtigste. Ich motiviere Patientinnen oft, die psychoonkologische Begleitung in Anspruch zu nehmen. Das hat dann nichts mit einer psychischen Erkrankung zu tun, sondern ist Unterstützung in einer Ausnahmesituation.
Natürlich gibt es Momente, die mich auch persönlich stärker berühren, besonders, wenn Patientinnen in meinem Alter sind oder Kinder im gleichen Alter haben. Aber ich glaube, entweder passt die Onkologie als Berufsfeld oder sie passt nicht. Ich kann gut mit der Belastung umgehen. Auch, weil ich Teilzeit arbeite und weiss, was mir guttut: draussen sein, in die Natur gehen. Und zuhause muss es passen.
Hat dich deine Arbeit verändert?
Ja, auf jeden Fall. Ich versuche, bewusster zu leben und Dinge möglichst nicht aufzuschieben. Das wird einem in der Onkologie jeden Tag vor Augen geführt: dass das Leben unvorhersehbar ist und man das, was einem wichtig ist, nicht „irgendwann“ machen sollte.
«Früh erkennen ist immer besser.»
Was möchtest du Frauen im Brustkrebs-Awareness-Monat mitgeben?
Wenn ihr etwas spürt oder das Gefühl habt, etwas ist anders – geht unbedingt zur Ärztin oder zum Arzt. Ich habe erlebt, dass Kolleginnen sagten, sie hätten „schon vor zwei Jahren etwas bemerkt“ und gingen erst viel später wieder hin – dann war es Krebs.
Selbstabtasten ist wichtig – und früh erkennen ist immer besser.
Rebecca Biber arbeitet seit 17 Jahren in der Pflege, davon 15 Jahre in der Onkologie. Die Leiterin Pflege der Onkologie und Hämatologie ist seit 2016 ausgebildete Breast Care Nurse (BCN) und Teil des vierköpfigen BCN-Teams des Spitals Männedorf.