20.3.2022

40 Kilo in Glück umgewandelt

Vor einem Jahr war Patricia Stöbi im Spital Männedorf für die Magenbypass-Operation. Nun, 40 Kilogramm leichter, trifft sie sich mit ihrem Arzt Andreas Thalheimer zu einem Spaziergang im Spitalgarten.


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Patricia, was geht dir jetzt gerade durch den Kopf?
Ich kann es nicht glauben, dass das Jahr so schnell vorbei gegangen ist. Obwohl sich so vieles in diesem Jahr verändert hat.

Du hast in diesem Jahr 40 Kilogramm abgenommen, wie fühlt sich das an?
Es ist ein gutes Gefühl und ich bin sehr glücklich. Es ging mir nie um die Traumfigur, sondern um meine Gesundheit. Ich bin familiär vorbelastet, mein Vater hatte Diabetes. Ich wollte nicht in die gleiche Situation kommen wie er und früh genug etwas dagegen machen.

Welches waren die grössten Herausforderungen in diesem Jahr?
Ich musste lernen, auf meinen Körper zu hören. Zu merken, wann ich genug gegessen habe und dann auch wirklich aufhören zu essen. Es war ganz neu und ungewohnt für mich, auch mal einen halbvollen Teller stehen zu lassen.

Und das war nie ein Problem für dich?
Ich habe mich vor der Operation sehr intensiv damit auseinandergesetzt. Ich habe viel recherchiert und gelesen und habe mich auch mit anderen übergewichtigen Menschen ausgetauscht. Ich wusste, was auf mich zukommt und dass ich meine Denkweise ändern muss.

Hast du die 40 Kilogramm auf einmal abgenommen?
Die ersten 20 Kilogramm habe ich sehr rasch verloren, nun sind es etwa noch 2 Kilogramm pro 2 Monate. Aber das ist auch gut so. Denn der Körper und auch die Haut muss sich an den Gewichtsverlust anpassen können und wenn es zu schnell geht, kommt der nicht mehr nach.

Hast du nun keine Essensrestriktionen mehr?
Nein, ich esse alles, was ich will und auf was ich Lust habe. Es gibt nur wenig Dinge, die ich zwar essen kann, aber das mir nicht so guttut. Das ist zum Beispiel rotes Fleisch, weil es nicht einfach ist zu verdauen. Deshalb versuche ich so wenig wie möglich zu essen. Aber ab und zu gönne ich mir auch ein Steak.

« Ich habe vor der Operation viel recherchiert und wusste, dass ich auch mit Operation ein Leben lang daran arbeiten muss. »

Patricia Stöbi, ehemalige Patientin

Das klingt alles sehr vernünftig. Hast du wirklich nie Probleme, dich daran zu halten?
Nein, wirklich nicht. Zum einen, weil ich meine Gewohnheiten komplett geändert habe und mich auch meine Familie unterstützt. Mein Mann hat zum Beispiel auch abgenommen, weil wir nun kleinere Portionen und auch gesünder essen. Zum anderen erlaubt mir meinen Körper auch keine Eskapaden. Wenn ich zu viel essen würde, würde ich krank werden. Und das ist es definitiv nicht wert!

Welchen Tipp kannst du Menschen geben, die eine bariatrische Operation in Betracht ziehen?
Es ist ganz wichtig, dass man sich vor der Operation überlegt, was einem Essen bedeutet und welchen Stellenwert es im Leben einnehmen soll. Wenn man nicht bereit ist, seine Gewohnheiten und das Essverhalten zu ändern, wird die Operation keinen langfristigen Erfolg bringen. Kurzfristig wirst du zwar Gewicht verlieren, mittel- und langfristig aber wieder zunehmen.

Andreas Thalheimer, du hast Patricia als bariatrischer Chirurg begleitet. Welches sind die wichtigsten Faktoren für eine Erfolgsgeschichte wie die von Patricia?
Patricia ist sehr reflektiert und sie hat sich eingehend über bariatrische Behandlungsmethoden informiert bevor sie zu uns in die Sprechstunde kam. Sie wusste, worüber wir sprechen und war sich bewusst, was eine Operation bedeutet. Wir beobachten, dass Patientinnen und Patienten, die sich vertieft mit dem Thema auseinandergesetzt haben auch nach der Operation besser damit umgehen können und langfristig erfolgreicher sind.

Es gibt also nicht nur Erfolgsgeschichten wie bei Patricia?
Adipositas ist eine chronische Krankheit, das darf man nicht vergessen. Wir sehen auch immer wieder Patientinnen und Patienten, die nach der Operation wieder Gewicht zulegen und unsere Unterstützung benötigen.

Was ist deine Aufgabe in einem solchen Fall?
Dann ist das gute Zusammenspiel des interdisziplinären Spezialisten-Teams wichtig. Gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus der Medizin, Endokrinologie, Ernährungsberatung und Psychotherapie versuchen wir mit dem Patienten den für ihn richtigen Weg zu finden.

Wie muss man sich das konkret vorstellen?
Wir haben wöchentliche Meetings, sogenannte Boards, an denen alle Fachpersonen vom Spital Männedorf und dem Universitätsspital Zürich sich austauschen. Wir diskutieren die Probleme der Patienten und versuchen eine Lösung zu finden, die wir dann gemeinsam mit den Patienten besprechen. Dieser interdisziplinäre Wissensaustausch ist extrem wichtig

Wie oft siehst du die Patienten nach der Operation?
Das erste Mal nach drei Monaten und dann noch einmal nach 12 Monaten. Wenn es keine Probleme gibt, wie bei Patricia, dann gibt es keine chirurgischen Nachkontrollen mehr. Die langfristige Nachsorge übernimmt meistens der Endokrinologe.

Patricia: Und das ist auch wichtig, weil man für den Rest des Lebens Vitamine zu sich nehmen muss. Denn der Körper kann aufgrund der veränderten Verdauung nicht mehr alle nötigen Vitamine aufnehmen.

Hast du Andreas einen Rat für Patientinnen und Patienten, damit sie eine Erfolgsgeschichte erleben wie Patricia?
Man darf nie vergessen, dass Adipositas eine chronische Krankheit ist. Man muss ein Leben lang daran arbeiten. Die ersten paar Monate nach der Operation verliert man schnell viel Gewicht. Doch dann erreicht man ein Plateau und die Kilos fallen nicht mehr so leicht, gewisse Personen nehmen dann auch wieder etwas zu.

Patricia: Man darf dann auf keinen Fall aufgeben. Wichtig ist, das Gespräch mit den Ärztinnen und Ärzten zu suchen. Vielleicht muss man nochmals seine Ernährung etwas anpassen, weil man zum Beispiel zu viel Protein zu sich nimmt. Wir müssen noch viel bewusster mit dem Essen umgehen als alle anderen Menschen, die nie übergewichtig waren. Denn Adipositas ist eine chronische Krankheit, die nicht einfach plötzlich verschwunden ist, nur weil 40 Kilogramm Gewicht weg ist.

Andreas: Man kann Adipositas nicht heilen, aber man kann es behandeln.

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