27.7.2023

Ein funktionierendes Puzzle am Zürichsee

Am rechten Zürichseeufer arbeiten Palliaviva, die Spitex Zürichsee und das Spital Männedorf in einem innovativen Modell zusammen. Wie können die Patientinnen und Patienten davon profitieren?


Erfolgreiche Zusammenarbeit

Für Palliaviva ist das, was momentan rund um den Standort Männedorf geschieht, ein Zukunftsmodell. Denn die Vernetzung wird wichtiger, je komplexer sich die Erkrankungen der Patientinnen und Patienten entwickeln. Mit zunehmendem Alter ist dies häufig der Fall. «Wir sind als Betreuende alle Teile eines Puzzles», hält Heike Hess fest, eine der Palliaviva-Mitarbeiterinnen am rechten Zürichseeufer.

Auch Dominik Schneider, Chefarzt Medizin im Spital Männedorf, spricht von einem Projekt mit Signalcharakter. «Unsere Erfahrungen sind sehr gut», sagt er. «Das Netzwerk ist essenziell; der Austausch hat sich bestens eingespielt. Das zeigen auch die positiven Rückmeldungen von Patientinnen und Patienten.»

Keine Doppelspurigkeiten

Die Betroffenen und ihre Angehörigen stehen im Fokus des innovativen Ansatzes, der vor gut einem Jahr initiiert und umgesetzt wurde. Im Kern geht es darum, die Betreuung vor, während und nach einem Spitalaufenthalt möglichst gut den individuellen Bedürfnissen anzupassen. Vor dem Hintergrund, dass in jeden Einzelfall verschiedene ärztliche und pflegerische Dienste einbezogen sind, will man Reibungsverluste und Doppelspurigkeiten vermeiden.

Das beginnt im Kleinen, mit ganz konkreten Massnahmen:

  • Neu finden seit einiger Zeit regelmässige, institutionalisierte Sitzungen von Palliaviva mit der lokalen Spitex statt.
  • Am interdisziplinären Rapport im Spital nimmt neben dem Team der Palliativstation jede Woche auch eine Palliaviva-Mitarbeiterin teil.
  • Eine wichtige Rolle spielen zwei Ärztinnen, die vom Spital Männedorf angestellt sind und in Absprache mit Palliaviva Hausbesuche durchführen.

Ein Beispiel aus dem Alltag veranschaulicht einen der Vorteile für die Patientinnen und Patienten. An einem Dienstagnachmittag treffen sich Heike Hess von Palliaviva und drei Mitarbeiterinnen der Spitex Zürichsee. Letztere arbeiten im Auftrag der Gemeinden Herrliberg, Männedorf, Meilen und Uetikon am See. Solche Treffen mit Palliaviva finden regelmässig statt, immer am ersten Dienstag im Monat.

Eine der Spitex-Mitarbeiterinnen hat den Laptop vor sich und rekapituliert die Verläufe bei den Patientinnen und Patienten, die auch von Palliaviva begleitet werden. Das sind nicht wenige, denn häufig brauchen Betroffene Unterstützung und Pflege im Alltag ebenso wie spezielle Leistungen der Palliative-Care-Spitex. Das kann sein, weil sie unter starken Schmerzen, Übelkeit oder Atemnot leiden oder ihre Lebenszeit absehbar begrenzt ist.

«Frau M., 50 Jahre alt, hat eine Krebserkrankung mit Metastasen», beginnt die Spitex-Mitarbeiterin zu erzählen. «Der Krankheitsprozess schreitet voran. Sie ist zurzeit im Spital. Weil es ihr sehr schlecht ging, hat sie nun eine Magensonde.» Palliaviva war in ihre Betreuung ebenso wie die Spitex Zürichsee bereits einbezogen. Das Ziel ist, dass die Patientin wieder heim kann.

Bedürfnisse vorhersehen

Heike Hess notiert sich den Namen der Patientin. Für sie und ihre Kolleginnen ist es wichtig, auf dem Laufenden zu sein, wie der aktuelle Stand bei den Patientinnen oder Patienten ist. So kann das Palliaviva-Team Bedürfnisse vorhersehen und sich bei den Betroffenen für einen Termin vor Ort melden, sobald sie wieder zu Hause sind.

Bei Patientinnen und Patienten, die das erste Mal mit Palliaviva in Berührung kommen, führt das Team ein Erstgespräch bei den Betroffenen daheim durch. Oft ist das der Fall, wenn jemand nach einem Spitalaufenthalt wieder nach Hause zurückkehrt und spezialisierte Palliative Care sinnvoll ist.

Bei diesen Erstgesprächen erstellen die Palliaviva-Mitarbeitenden einen Notfallplan. Aufgrund dieses Planes, nach dem bei bestimmten Symptomen zu handeln ist, werden von einer Ärztin oder einem Arzt Medikamente verordnet. Der Notfallplan soll im Sinne der Patientinnen und Patienten verhindern, dass sie schnell wieder in die Notfallstation eines Spitals eintreten müssen. Sie sollen – wenn sie es wünschen – möglichst lange zu Hause zu bleiben können.

Eine der Spitex-Mitarbeitenden in Männedorf äussert bei der Sitzung mit Heike Hess nun den Wunsch, diese Erstgespräche öfter zusammen zu führen: für die Palliaviva-Mitarbeiterin ein absolut nachvollziehbares und sinnvolles Anliegen. Denn der Patient oder die Patientin muss dann nur einmal die Fragen beantworten, die beide Dienste sowieso stellen würden. Er oder sie muss seine Krankengeschichte von Grund auf nur einmal erzählen.

Alle auf demselben Wissensstand

Die regelmässigen Sitzungen zwischen der lokalen Spitex und dem Palliaviva-Team finden seit rund einem halben Jahr einmal im Monat statt. Der zweistündige Termin ist fix eingeplant, was für eine gewisse Verbindlichkeit sorgt und Kontinuität garantiert. Ebenfalls eng ist der Kontakt von Palliaviva mit dem Palliative-Care-Team im Spital Männedorf. Dieser findet mindestens einmal wöchentlich statt, am interdisziplinären Rapport.

Immer freitags, morgens um 8 Uhr 30, treffen sich Pflegefachpersonen, Ärztinnen, Ärzte und andere involvierte Fachleute wie die Sozialberaterin in einem Aufenthaltsraum bei der Palliativstation des Spitals. Mit dabei sind jeweils auch Heike Hess oder Corinne Irniger vom Palliaviva-Team am rechten Zürichseeufer. Die Teilnehmenden bringen sich gegenseitig auf den neuesten Stand.

Das neue Modell kommt in diesem Zusammenhang besonders zum Tragen, denn seit einiger Zeit sind auch zwei Anästhesistinnen vom Spital Männedorf, die Hausbesuche bei palliativ betreuten Patientinnen und Patienten machen. Dominik Schneider, Chefarzt Medizin, war hier federführend. Er hält fest: «Die Ärztinnen entlasten die Hausärzte und Hausärztinnen in der Region, die teilweise gar keine Hausbesuche mehr machen. Die Fälle sind zudem oft sehr komplex, häufig stehen Symptome wie starke Schmerzen im Vordergrund. Das Spezialwissen der Anästhesistinnen ist in diesen Fällen sehr willkommen.» Die beiden sind – wie das Team von Palliaviva – in Notfällen 24/7 über Pikett erreichbar.

Vom Rapport zum Rundtischgespräch

Da an dem Rapport auch Fachpersonen wie die Sozialberaterin teilnehmen, geht es nicht allein um Medizinisches. Auch im Fall eines über 70-jährigen Mannes, der ebenfalls an Krebs leidet, diskutieren die Fachleute die Anschlusslösung nach seinem Spitalaufenthalt. In den nächsten Tagen wird sorgfältig evaluiert, ob es sinnvoll ist, dass er wieder nach Hause zurückkehrt oder ob er in einem Heim wenigstens vorübergehend nicht besser aufgehoben wäre. «Die Angehörigen sind am Anschlag», sind sich die Anwesenden einig.

Am Rapport vereinbaren sie für die kommende Woche ein Rundtischgespräch. An diesem werden erneut Mitarbeitende des Spitals, der Spitex sowie auch Teammitglieder von Palliaviva teilnehmen. Mit den Angehörigen wird dann besprochen, wie es weitergehen soll. Und selbstverständlich wird auch der Patient dabei sein, der seine Wünsche äussern wird.

Heike Hess besucht nach dem Rapport jeweils auch das Onkologie-Ambulatorium, wo ambulante Chemotherapien durchgeführt werden. Von Zeit zu Zeit macht sie auch einen Besuch auf der Palliativstation bei Patientinnen und Patienten.

Der Originalbericht wurde auf der Website von Palliaviva publiziert.